Interview mit Susanne Eckes

„Brettspielabende in New York, und Gruppen-Jogging-Dating in London: Wie die Gen Z das Gruppengefühl (wieder-)entdeckt – und was das mit Ausbildung zu tun hat“ 

Ein Gespräch mit Zukunftsforscherin Susanne Eckes über eine Generation zwischen Individualisierung und Bindungswunsch. 

 

Frau Eckes, was fällt Ihnen auf, wenn Sie mit jungen Menschen über ihre Zukunft sprechen? 

Die Welt fühlt sich für viele von ihnen unsicher an – individuell, gesellschaftlich, planetar. Sie haben im Vergleich zu vorangegangenen Generationen kein sicheres „Wenn …, dann …“- Zukunftsversprechen mehr. Kein festes Vertrauen darauf, dass ein gutes Leben planbar ist. Ihr Leben ist sehr situativ. Prägnant finde ich in diesem Zusammenhang den Ausdruck „Situationship“ für unverbindliche Beziehungen zwischen zwei Menschen – mehr als Freundschaft, aber ohne klare Absprachen oder Commitment wie in einer festen Partnerschaft.  Wenn man jedoch tiefer eintaucht, wird deutlich: Die Sehnsucht nach Relationship statt Situationship ist groß. Die Sehnsucht nach Halt, Bindung, Zugehörigkeit. 

Haben wir die Individualisierung der jungen Generation vielleicht überschätzt – und ihr Bedürfnis nach Zugehörigkeit unterschätzt?  

Ich denke ja. Bei „der Jugend“ wurde schon immer darauf geschaut, was sie fordern und in der Gesellschaft voranbringen bzw. als Katalysatoren für Veränderung wirken. Und das war schon bei jeder Generation der Wunsch nach mehr Freiheit, Gerechtigkeit und Individualisierung. Diese Generation hatte die Möglichkeit durch ihre Sozialisierung sehr viel Individualisierung, besonders im Konsumbereich, erleben zu können. Sie hatten vielleicht aber nicht immer die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit, Gemeinschaft und Commitment erleben zu dürfen. Sie sind aufgewachsen in einer Welt voller Optionen und Verfügbarkeiten. Unsere Kultur ist auf Dopamin programmiert: schnelle Reize, Likes, Belohnungen. Aber was zunehmend fehlt, ist Resonanz. Wir werfen ihnen Unverbindlichkeit vor – doch könnten wir ihnen als Gesellschaft im Wandel überhaupt Verbindlichkeit geben? Verbindlichkeit aber schafft Verbindung. Und Verbindung ist das, was jeder Mensch braucht. Zunehmend wird das Fehlen von Verbundenheit auch in den sozialen Medien thematisiert: das „Bindungshormon“ Oxytocin rückt nun – nach dem Dopamin-Hype – in den Fokus. Oxytocin signalisiert dem Nervensystem: Du bist sicher. Du bist verbunden. Du bist nicht allein. 

Und das zeigt sich auch im Alltag? 

Ja, wenn wir auf die Trends in der Avantgarde dieser Generation schauen, sehen wir: 
In New York organisieren sie öffentliche Brettspielabende mit Hunderten Teilnehmenden, in London joggen Singles zusammen nach Feierabend als neue Dating Form, in Berlin treffen sich Fremde zum Tischtennis-Rundlauf, in Sydney trifft man sich bei Sonnenaufgang am Strand für alkoholfreie Silent Disco Partys vor der Arbeit. Das klingt nach Lifestyle-Trend, spiegelt aber ein echtes Bedürfnis wider. Manche gehen soweit und bezeichnen diese neue Ausrichtung hin zu Oxytocin auch die Selbstheilung einer Generation. 

Was bedeutet das für Unternehmen – vor allem für Ausbildungsleiter*innen? 

Wer junge Menschen heute erreichen will, muss emotionale Sicherheit durch Zugehörigkeit schaffen. Die zentrale Botschaft des Unternehmens sollte sein: You belong here. Das ehrliche Gefühl: hier werde ich nicht nur gebraucht – ich bin willkommen. Für eine Generation, die emotionale Sicherheit oft vermisst, ist das kein Bonus – sondern ein Entscheidungskriterium – wie wir auch im Abschlusspanel beim DALK 2024 von den Auszubildenden selbst gehört haben. Deshalb sollte es kein Gefühl sein, das man sich erarbeiten muss – 
sondern die Basis der Unternehmenskultur.  

Wie passt das zu Ihrem Wunsch nach Individualisierung, der nach wie vor besteht?  

Verbindung und Individualität schließen sich nicht aus – sie ergänzen sich. Unternehmen stehen heute vor der Herausforderung, eine stimmige Balance zu schaffen: von Halt und Haltung, von Verbindlichkeit und Verbindung – als Grundlage für Sicherheit und Zugehörigkeit zu geben. Gleichzeitig gilt es, der Individualisierung Raum zu geben, jede Person wirklich zu sehen, zu hören und wertzuschätzen. Die Flexibilisierung von Arbeitsweisen ist dabei kein Selbstzweck, sondern eine bewusste Entwicklung: Weg von einem ‚Mehr‘ hin zu einem ‚Smarter‘ – für eine nachhaltige, menschenzentrierte Arbeitswelt. 

Mentoring ist dabei ein starkes Tool: 
Es schafft echte Verbindung von Mensch zu Mensch – und damit Zugehörigkeit und Loyalität. Es ermöglicht individuelle Begleitung – gesehen, gehört und wertgeschätzt zu werden.
Es bietet eine sichere Basis für Entwicklung – für Selbstvertrauen, Wirksamkeit und Verantwortungsübernahme Junge Menschen erleben, wie es ist, als Person individuell begleitet zu werden – und dabei in einem sicheren Umfeld (safe space) zentrale soziale Kompetenzen zu entwickeln.  

Muss das immer von Führungskräften kommen? 

Nein. Peer-Mentoring funktioniert genauso gut: Auszubildende aus höheren Jahrgängen begleiten neue Auszubildende. Oder Reverse Mentoring: Wenn junge Mitarbeitende ihre Kompetenzen an ältere weitergeben dürfen. Mentoring, menschliche Verbindung, ist nicht nur ein Nice-to-have. Es ist ein strategisches Werkzeug, das Bindung stärkt, Potenzial entfaltet und Brücken baut – zwischen Generationen, zwischen Kulturen, zwischen heute und morgen.  

Ihr Fazit? 

Wer jungen Menschen Bindung gibt, stärkt ihre Wirksamkeit – und damit die Zukunft des Unternehmens. Wer Brücken baut, ist heute in Zeiten der großen Transformation unverzichtbar.  

Susanne Eckes

Susanne Eckes ist Trend- und Zukunftsforscherin mit langjähriger Erfahrung am Zukunftsinstitut und Kuratorin bei TEDxMünchen. Als Teil der ROCK YOUR LIFE! ACADEMY gibt sie Unternehmen Impulse zu Generation Z, New Leadership und Transformation. ROCK YOUR LIFE! ist ein vielfach ausgezeichnetes Social-Franchise mit über 30 Mentoring-Standorten im deutschsprachigen Raum.

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