Ihnen springen Auszubildende während der Ausbildung ab, oder sogar noch schlimmer: Auszubildende wechseln das ausbildende Unternehmen?
Schon mal darüber nachgedacht, wie man eigentlich zu seinen Auszubildenden durchdringt? Wie ich es schaffe, eine positive und gute Beziehung zu ihnen aufzubauen und was heißt eine gute Ausbilder:in-Auszubildenden-Beziehung überhaupt konkret?
WIESO BEZIEHUNGEN VON RELEVANZ SIND
In der von Hattie 2008 veröffentlichen Metastudie zu den Erfolgsfaktoren von schulischen Leistungen und deren Kompetenzerwerb wurde sichtbar, dass sich gute Beziehungen zwischen Schülerschaft und Lehrkraft hierauf bedeutend positiv auswirken können (Hattie, 2009).
Diese Studie wurde 2023 unter Einbeziehung neuester Erkenntnisse und den Erfahrungen der Corona-Pandemie nochmals vom Autor überarbeitet und bestätigte, unter Auswertung von mehr als 2.100 Meta-Analysen, dass der Lernfaktor Lehrkraft als wichtiger und zentraler Ausgangspunkt für gute Lernleistungen anzusehen ist (Hattie, 2023).
Insbesondere im Hinblick auf das in Deutschland vorherrschende duale Ausbildungssystem, welches einen großen Teil der Ausbildungszeit auch in der Berufspraxis und damit in dem Ausbildungsbetrieb vorsieht, gilt: Was die Lehrkraft für Schüler:innen in der theoretischen Ausbildungszeit an der Schule darstellt, ist für die Auszubildenden in den praktischen Ausbildungsabschnitten in den einzelnen Betrieben der oder die Ausbilder:in.
So ist es, für eine valide Beurteilung des Kompetenzerwerbs in der Ausbildung, ebenso notwendig neben den fachtheoretischen Abschnitten in der Schule, auch Erfolgsfaktoren von Leistungen und den Erwerb von Kompetenzen von Auszubildenden in der praktischen Zeit zu untersuchen und zu beurteilen.
Wie wichtig das Verhältnis zwischen Ausbildenden und Auszubildenden ist, beschreibt sich zudem in mehreren wissenschaftlichen Studien: So zeichnet sich ab, dass sowohl aus Sicht der Ausbildungsbetriebe als auch aus Sicht der Auszubildenden die Ausbildereignung, welche direkten Einfluss auf eine positive Ausbilder:in-Auszubildenden-Beziehung hat, als höchster Qualitätsanspruch wahrgenommen wird, weit vor z.B. materiellen Ausstattungen im Betrieb (vgl. Ebbinghaus / Krewerth, 2014).
WAS MACHT EINE GUTE BEZIEHUNG AUS?
Dabei ist zu erfragen, welche Eigenschaften und Merkmale der Ausbilder:innen sich positiv auf ein solches Ausbilder:in-Auszubildenden-Verhältnis auswirken können und inwiefern eine positive Ausbilder:in-Auszubildenden-Beziehung aus Sicht der Auszubildenden relevant für den Kompetenzerwerb während der berufspraktischen Zeit ist.
Zur Erforschung besonders guter Ausbilder:innen-Auszubildenden-Beziehungen wurden Auszubildende im dualen Berufsausbildungssystem in Deutschland gebeten, eine Situation aus ihrer berufspraktischen Ausbildungszeit zu beschreiben, in der sie erkannt haben, dass sie eine gute Beziehung zu ihren berufspraktischen Ausbilder:innen haben.
Anschließend wurde mit Hilfe einer induktiven Kategorienbildung nach Mayring aus den Antworten ein Kategoriensystem entwickelt (vgl. Fenzl / Mayring, 2019).
Gemeinsam haben alle diese Merkmale, dass sie nur individuell zwischen Ausbilder:innen und einzelnen Auszubildenden stattfinden können, da auch eine persönliche Zuwendung und Lob nur individuell und konkret erfolgen kann.
Die einzelnen erforschten Kategorien und deren Anwendungsbereiche werden im Vortrag Ausbildungsabbrüche vermeiden? Beziehungen zwischen Ausbilder:in und Auszubildenden als Erfolgsfaktor! am 5. November 2024 auf dem DALK detailliert dargestellt und mit Handlungsempfehlungen verknüpft.
BEZIEHUNGSARBEIT WEITER GEDACHT
Dabei kann diese verstärkte Ausrichtung hin zu einer guten Ausbilder:innen-Auszubildenden-Beziehung auch in einem zweiten Schritt weitergedacht werden: So können bereits Einstellungs- und Nachwuchsgewinnungsprozesse an diese Bedürfnisse angepasst gestaltet werden, um dem aktuellen Fachkräftemangel entgegen zu wirken und einem modernen Arbeitsmarkt gerecht zu werden.
Auch im Rahmen des Retention Managements sind vorliegend beschriebene Erkenntnisse zur Bindung von Mitarbeiter:innen aufgrund eines hohen Kompetenzerwerbs und einer sich einstellenden Zufriedenheit denkbar und bestärken die Relevanz der Arbeit auf Beziehungsebene (vgl. Quante-Brandt / Grabow, 2008).