Azubi-Recruiting Trends 2024 – Interview

Zum zwölften Mal sind im Januar die Azubi-Recruiting Trends 2024 an den Start gegangen. Wir haben mit Felicia Ullrich von u-form Testsysteme über die Studie gesprochen. Warum gibt es auch 2024 wieder eine Ausbildungsstudie? Was sind spannende Ergebnisse aus der Studie des Jahres 2023? Welche Ergebnisse haben Ausbildungsexpertin Felicia Ullrich überrascht?

Frau Ullrich, warum gibt es auch 2024 wieder eine neue Auflage der Studie?
Nach über 50.000 Befragungen in den letzten 11 Jahren ist die Frage berechtigt. Man könnte meinen, wir wissen alles, was sich die Generation Z von Ausbildungsunternehmen wünscht. Doch die Zahlen zeigen uns, der Bedarf an Informationen ist groß. Die Wünsche der Azubis weichen in vielen Bereichen von den Angeboten der Ausbildungsbetriebe ab. So verwundert es nicht, dass nur 42 % der von uns 2023 befragten Unternehmen alle Ausbildungsplätze besetzen konnten. Dagegen hatten 52 % der Jugendlichen mehr als ein Ausbildungsplatzangebot. Knapp ein Drittel der Azubis bricht die Ausbildung ab. Drei gute Gründe, auch 2024 zu schauen, wie wir die Attraktivität der dualen Berufsausbildung steigern können. Verlässliche Zahlen bieten dafür die beste Grundlage. Auch das zeigt die Studie: Nicht jeder Hype entspricht den Vorstellungen der Generation Z.

Was ist denn mehr Hype als Trend?
Ein Beispiel für den Hype sind Video-Bewerbungen. Anbieter dieser Bewerbungsform wurden mit Preisen überhäuft. Die Bewerbungsform hat ihre Berechtigung, aber nicht unbedingt im Azubi-Recruiting. Der Trugschluss: Dass die Generation Z gerne Videos schaut, heißt nicht, dass sie sich gerne vor der Kamera präsentieren. Aus der Studie des Jahres 2022 wissen wir, dass digitale Bewerbungsgespräche nur bei 16 % der Jugendlichen gut ankommen. 84 % ziehen das Gespräch vor Ort vor. So überrascht es nicht, dass nur 20 % der Bewerbenden die Video-Bewerbung gut finden. Spitzenreiter unter den Bewerbungsformen ist die Online-Bewerbung mit 83 % Zustimmung, gefolgt von der Bewerbung per Mail mit 79 %.

Gibt es auch Trends, die im Verlauf der Studie erkennbar sind?
Ein Thema „verfolgt“ uns seit der ersten Studie aus 2013: Die Rolle der sozialen Medien im Azubi-Recruiting. Die Ergebnisse zeigen immer wieder, dass die sozialen Medien seitens der Unternehmen überbewertet bzw. falsch verstanden werden. Die wenigsten Fußballfans wären gute Bundestrainer. Ähnlich verhält es sich mit Social-Media-Accounts von Unternehmen in den Händen von Azubis: Nur weil sich die Generation viel in den sozialen Medien aufhält, weiß sie nicht automatisch, wie Social-Media-Recruiting funktioniert.

2023 haben wir konkret gefragt, wie Jugendliche die sozialen Medien bei der Suche nach Ausbildungsplätzen nutzen: Nur 11 % der befragten Jugendlichen suchen aktiv in den sozialen Medien nach Ausbildungsplätzen; 40 % schauen sich Posts an, wenn sie diese zufällig wahrnehmen. Fast die Hälfte der Jugendlichen nutzt die sozialen Medien nicht zur Suche nach Ausbildungsplatzangeboten. Wollen Unternehmen die sozialen Medien erfolgreich fürs Recruiting nutzen, brauchen sie Posts oder Videos, die ein hohes Maß an Aufmerksamkeit erzielen. Und Budget, um Reichweite zu erlangen. Das ist eher eine Aufgabe für Marketingprofis, nicht für Azubis, deren Kompetenz sich darauf beschränkt, in den sozialen Medien zu surfen.

Social-Media wird von den Unternehmen anscheinend überbewertet. Gibt es auch Themen, die aus Ihrer Sicht zu wenig Beachtung finden?
Die Bewerbungsprozesse sind das Stiefkind des Azubi-Recruitings. Bei 36 % der von uns befragten Unternehmen muss der Bewerbende sich registrieren. 25 % haben kein mobil optimiertes Bewerbungsverfahren. Meine Erfahrung zeigt, „mobil optimiert“ heißt oft nur, dass man das Formular auf dem Smartphone ausfüllen kann. Es heißt nicht, dass der Prozess auf den jeweiligen Kanal zugeschnitten ist. Wie beispielsweise der Discounter, der mit einem Türaufsteller für eine schnelle Bewerbung wirbt: Erst muss der Bewerbende die Stelle vor Ort suchen und dann Lebenslauf und Anschreiben hochladen. Welcher Jugendliche hat seine Bewerbungsunterlagen auf dem Smartphone griffbereit oder tippt im Supermarkt darauf ein Anschreiben.

Die beste Werbekampagne nutzt nichts, wenn Jugendliche Bewerbungsprozesse abbrechen oder gar nicht erst beginnen. 

Haben Sie noch drei Tipps für unsere Lesenden?
Sehr gerne, auch wenn es nicht leicht ist, sich auf drei Tipps zu beschränken.

  1. Wir Menschen lernen am besten durch Selbermachen. Machen Sie Berufe erlebbar; mit Praktika, Schnuppertagen und auf Messen. Wegen eines Kugelschreibers bewirbt sich kein Jugendlicher bei Ihnen – nach einem tollen Erlebnis schon. 70 % der Jugendlichen wünschen sich Erlebnisse auf Messen – aber nur 35 % der Unternehmen bieten diese an. Je unbekannter der Beruf, desto wichtiger ist es, ihn erlebbar zu machen. Selbst das beste Video kann ein Erlebnis nicht ersetzen.
  1. Versorgen Sie die jungen Menschen mit Informationen. Die Wünsche der Azubis für gutes Pre- und Onboarding sind eigentlich eher bescheiden. Sie wünschen sich Ablaufpläne für den ersten Arbeitstag, Informationen zur Berufsschule oder Informationen zu Versicherungen. Wissen nimmt Unsicherheit. Das ist so wichtig für einen gelungenen Start.
  1. Gehen Sie auf den DALK 2024. Impulse und Austausch schaffen Ideen. Genau die braucht ein gutes Azubi-Recruiting. Relevante Zahlen natürlich auch. Deshalb präsentiere ich auf dem DALK die spannendsten Ergebnisse der Azubi-Recruiting Trends 2024 und gebe praktische Tipps, wie Sie die Ergebnisse in Ihrem Ausbildungsalltag umsetzen können. Die aktuellen Studienergebnisse können Sie unter www.testsysteme.de/studie kostenlos herunterladen.

Worum geht es in der diesjährigen Studie?
Die sozialen Medien fehlen auch 2024 nicht. Wir fragten konkret nach, welche Inhalte und Themen sich die Jugendlichen in welchen Medien wünschen. Wir werfen in der Studie einen kritischen Blick auf die künstliche Intelligenz, schauen, ob das Thema eher Angst oder Hoffnung schürt. Berufsschulen und deren Attraktivität sind ein weiteres Thema. Klassiker, wie genutzte Kanäle zur Ausbildungssuche oder die Rolle der Eignungsdiagnostik, beleuchten wir auch; ein bunter Strauß an Themen.

Erwarten Sie Überraschungen bei den Ergebnissen der diesjährigen Studie?
Das Besondere an einer Überraschung ist ja, dass ich sie vorher nicht erwarte. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen: Die Ergebnisse der Azubi-Recruiting Trends erstaunen mich jedes Jahr. Im vergangenen Jahr haben wir zum Beispiel gezeigt, dass die Generation der Ausbildenden einen höheren Anspruch an die Work-Life-Balance hat, als die viel gescholtene Generation Z. 2024 gibt es Themen, auf die ich sehr gespannt bin. Das sind KI und der Vergleich der dualen Hochschulen mit Berufsschulen. Das duale Studium ist im Recruiting eine harte Konkurrenz für die Ausbildung. Aber sind duale Studierende zufriedener als Azubis? Sie werden es hören. Auf dem DALK 2024. Dann erfahren Sie auch, welche Antworten mich wirklich überrascht haben. Ich freue mich drauf.

Felicia Ullrich
Herausgeberin Studie Azubi-Recruiting Trends, Geschäftsführung von u-form

Die zertifizierte Eignungsdiagnostikerin und Design Thinkerin Felicia Ullrich beschäftigt sich seit 15 Jahren intensiv mit den Themen Azubi-Marketing und -Recruiting. Zusammen mit Herrn Professor Christoph Beck verlegt sie jährlich die größte doppelperspektivische Studie „Azubi-Recruiting Trends“. Die geschäftsführende Gesellschafterin der u-form Testsysteme ist bundesweit eine gefragte Referentin zum Thema Azubi-Recruiting und Marketing.

Nach Abschluss von Ausbildung und Studium arbeitete sie im Marketing der Coca-Cola GmbH und der Deutschen Bank, bevor Sie 1998 in die Geschäftsführung von u-form wechselte. Seitdem begleitet sie Unternehmen aller Größen und Branchen bei der Einführung und Umsetzung eines modernen Azubi-Recruiting.

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