Azubis magnetisch anziehen? Eine Frage der HALTUNG!

Jahrelang habe ich mich mit Ausbildungsbetrieben beschäftigt, die quasi „Leuchttürme“ in der Welt der Ausbildung darstellen und Azubis geradezu magisch anziehen (und das in der heutigen Zeit!). Die Frage trieb mich um: Was machen diese Unternehmen anders? Warum stehen dort Azubis fast schon Schlange, während andere Unternehmen verzweifelt auf der Suche sind und bleiben?

Die Antworten, die ich gefunden habe, sind unglaublich vielfältig und spannend. Aber eines lässt sich festhalten:
Entscheidend ist die Haltung der an der Ausbildung beteiligten Personen im Unternehmen (und damit verwurzelt das Denken über junge Menschen). Es ist verblüffend, dass beinahe alle Unternehmen und Menschen, die ich kennengelernt habe, in diesem Bereich sehr ähnlich ticken. Ob bewusst oder unbewusst denken sie „positiv“ über die junge Generation. Auch wenn das vielleicht nun etwas zu plakativ klingen mag, ist es doch so, dass in diesen Unternehmen die eigenen Azubis niemals nur als Mittel zum Zweck gesehen werden, um das eigene Unternehmen erfolgreicher zu machen oder das langfristige Überleben des Betriebs zu sichern. Sie betrachten immer zunächst den jungen Menschen mit all seinen Bedürfnissen (siehe unter anderem „Maslowsche Bedürfnispyramide“).

Quelle: https://karrierebibel.de/beduerfnispyramide-maslow/. Abrufdatum: 19.07.2024

Doch was bedeutet dies konkret für den Alltag in der Ausbildung? Ich möchte Ihnen hier nur kurz drei praktische Beispiele geben:

1.) Inspiration für das eigene Unternehmen und Persönlichkeitsentwicklung (Grundlage für Motivation)
Alle Ausbildenden, die im Umgang mit ihren Auszubildenden besonders erfolgreich sind, richten ihr Handeln danach aus, ihre Auszubildenden (über sich hinaus) wachsen zu lassen. Sie denken zunächst daran, was der Mensch braucht und nicht, was das Unternehmen braucht. Ein notwendiger Paradigmenwechsel, der für die Gewinnung junger Erwachsener heutzutage unbedingt notwendig ist. Diese Ausbildenden sind zudem selbst (noch) sehr begeistert von ihrem eigenen Unternehmen und strahlen diese Begeisterung auch aus! Dies äußert sich unter anderem darin, dass sie leidenschaftlich den Sinn hinter Tätigkeiten vermitteln können und wollen. Sie lassen sich von unmotivierten Auszubildenden nicht abschrecken und versuchen permanent, auch diese weiterhin für ihr Unternehmen und die anfallenden Tätigkeiten zu inspirieren. Wenn man überhaupt eine Chance haben möchte, die junge Generation zu motivieren, bleibt ihnen bei genauerer Betrachtung auch nichts anderes übrig.
(Hinweis: Glauben Sie, ihre Azubis lassen sich für Ihr Unternehmen begeistern, wenn sie selbst es nicht (mehr) sind? In der Regel leider NEIN.)

2.) Freiräume für eigenes Handeln (Ebene 4+5: Individualbedürfnisse, Geltung, Selbstverwirklichung)
Im Kontext der Diskussion um eine 4-Tage-Woche haben verschiedene Unternehmen ihren Azubis einen möglichen „freien Zeitraum“ in der Woche eingerichtet. In dieser Zeit dürften sie einem Vorhaben nachgehen, dass sie selbst -beispielsweise in einem Pitch- der Geschäftsführung oder dem Vorgesetzten vorstellen und bei dessen Umsetzung der eigene Betrieb behilflich sein kann. Beispiel: Die Azubis eines Landmaschinenherstellers pitchen überzeugend vor der Geschäftsführung, dass sie einen Outdoor-Stahlunterbau für den benachbarten Kindergarten bauen wollen. Die Geschäftsleitung genehmigt den Vorschlag und stellt sowohl Arbeitszeit (3 Stunden pro Woche) als auch Arbeitsgerät dazu zur Verfügung. Die Azubis setzen das Projekt um. Bei Fragen stehen ihnen die Mitarbeiter*innen gerne mit Rat und Tat zur Verfügung.
(Anmerkung: Dieses Projekt gab es wirklich! Der anschließende Stolz und die Freude über das gelungene Projekt waren enorm! Die Presse war bei der Übergabe vor Ort. Über das Unternehmen wurde sehr positiv berichtet. Die Auszubildenden waren und blieben absolut begeistert von ihrem Ausbildungsbetrieb)

3.) Stärkenbilder (Ebene 4: Individualbedürfnisse (Anerkennung und Wertschätzung))
Es gibt Unternehmen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Stärken, Talente und positiven Eigenschaften ihrer Auszubildenden verstärkt in den Fokus zu nehmen. Sie beobachten sie stärkenorientiert. Im Ergebnis bekommen sie jährlich „Stärkenbilder“ ausgehändigt. Ein solches Bild hat aus hirnwissenschaftlicher Sicht durchaus seine Berechtigung. Denn hier geht es nicht nur um Lobhudelei! Nein. Es geht darum, aufrichtiges Interesse aneinander zu zeigen und die ständige Defizitorientierung abzulegen. Es geht um eine Grundhaltung die aussagt: Jede/r Mensch hat Stärken! Also lasst sie uns gemeinsam entdecken. So wird nicht nur das Selbstwertgefühl gestärkt, sondern Ausbilder*innen zwingen sich auch selbst dazu, die typische „negative Brille“ im Umgang mit (jungen) Menschen abzusetzen. Denn es gibt weiterhin nicht wenige Ausbildungsbetriebe, die mit dem Glaubenssatz „Die Jugend heutzutage will und kann doch eh nichts mehr leisten“ bereits in Bewerbungsgesprächen etwas absolut Abschreckendes ausstrahlen.
(Träumerei: Stellen Sie sich mal vor, eine/r ihrer Auszubildenden bekommt freudig ein Stärkenbild von Ihnen. Was wird er/sie tun? Ich berichte es Ihnen aus eigener Erfahrung: Sie wird aller Wahrscheinlichkeit nach sehr berührt und dankbar sein! Und nicht selten landet ein Foto des Stärkenbilds anschließend auf den eigenen Social Media Accounts oder im WhatsApp Status!;-) –> #ungeplante Werbung für IHR Unternehmen!)

Stärkenbild: Quelle: staerken.net/staerken.bild/

Als Berufsschullehrer habe ich selbst unter anderem diese drei Beispiele im Umgang mit jungen Menschen ausprobiert. Es war für mich unglaublich zu sehen, was mit jungen Menschen passieren kann, wenn man mit ihnen einmal vollkommen neue, bedürfnisorientierte Wege einschlägt. Über diese möchte ich Ihnen gerne genauer berichten in meiner Expert-Session beim DALK am 04. November 2024 um 17:15 Uhr. Ich freue mich auf Sie!

Alexander Böhle

Alexander Böhle ist Berufsschullehrer, Fortbildungsmoderator zum Thema „Potentialentfaltung“, Speaker und Podcaster („Deutschlands ausgezeichnete Lehrkräfte“). Was ihn bewegt, sind Menschen, die andere Menschen in Bewegung bringen. Spezialisiert hat er sich dabei auf herausragende Lehrkräfte und Ausbildende aus Sicht von Schüler*innen und Auszubildenden. Daraus resultierend sammelt er ständig neue Ideen und setzt sie in und mit seinen eigenen Schulklassen um. Über seine Erfahrungen berichtet er leidenschaftlich in Vorträgen und Workshops.

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