Im Interview mit Felicia Ullrich, Speakerin beim Deutschen Ausbildungsleitungskongress 2024 in Düsseldorf.
Welche spezifischen Anforderungen und Erwartungen hat die Generation Z an Ausbildungsunternehmen und wie können diese bestenfalls erfüllt werden?
So spezifisch wie gerne dargestellt sind die Anforderungen nicht. Die Generation Z wünscht sich eine Arbeit, die Spaß macht, Wertschätzung, eine gute fundierte Ausbildung, Zukunftschancen und Sicherheit. Dazu eine Bezahlung, mit der sie ihr Leben finanzieren können. Wünschen wir uns das nicht alle? Der Unterschied ist, dass diese Generation ob des Fachkräftemangels größere Chancen hat, ihre Wünsche durchzusetzen.
In den Azubi-Recruiting-Trends 2023 haben wir umfassend das Thema Arbeitszeiten beleuchtet. Hier zeigte sich, beim Thema Work-Life-Balance weichen die Vorstellungen der Generation Z nicht von denen der Ausbildenden ab. Mich stört, dass es oft so dargestellt wird, als wäre „Work“ der Gegensatz zu „Life“. Arbeit kann viel Spaß und Erfüllung bringen, wenn sie zu meinen Talenten passt. Mehr als stundenlanges „Rumscrollen“ in den sozialen Medien. Wir müssen es schaffen, das den jungen Menschen stärker zu vermitteln.
Wie können Unternehmen den Hype um Social Media und Künstliche Intelligenz nutzen, um die besten Talente zu rekrutieren, und welche Trends sind dabei wirklich relevant?
Die wichtigste Voraussetzung ist das Verstehen und Auseinandersetzen mit neuen Technologien. Zwei Beispiele. Die sozialen Medien sind ein überwiegend passiv genutzter Kanal – ich suche nicht, ich konsumiere. Um Sichtbarkeit zu erzielen, brauche ich Reichweite und Aufmerksamkeit. Das graue Firmengebäude mit der Headline „Wir bieten eine Ausbildung zum Fachlagerist“ wird beides nicht erzielen. So suchen nur 26 % der Jugendlichen in den sozialen Medien nach Ausbildungsplätzen. Aber 80 % empfehlen den Unternehmen, Inhalte in die sozialen Medien zu posten. Diese eignen sich perfekt, um Jugendlichen zielgruppengerecht und umfassend über Ausbildung zu informieren. Wie läuft eine Ausbildung ab, was mache ich da den ganzen Tag? Informieren statt tanzen!
Das Gleiche gilt für QR-Codes. Die können sehr nützlich sein, aber nicht, wenn sie auf klassische Bewerbungsformulare mit Anschreiben und Lebenslauf verlinken. Wer einen QR-Code scannt, hat immer ein Smartphone in der Hand. Und wer tippt darauf schon Anschreiben? Zur Digitalisierung und künstlichen Intelligenz gehört immer auch der Einsatz von IQ.
Welche Strategien empfehlen Sie, um den Fachkräftemangel zu bewältigen und gleichzeitig nachhaltige Praktiken zu fördern?
Ausbildung ist in meinen Augen noch immer eine perfekte Strategie zur Bekämpfung des Fachkräftemangels. Wichtiger werden Maßnahmen zur Bindung von Mitarbeitern. Dazu gehört das Ablegen von Glaubenssätzen, die Bereitschaft zur Veränderung und die Lust, Neues auszuprobieren.
Die Zahlen zu den Themen Digitalisierung und Künstliche Intelligenz in den Azubi-Recruiting Trends 2024 haben mich erschreckt. Nur 10 % der Unternehmen vermitteln Inhalte zur KI in der Ausbildung, 26 % planen dies zu tun. Für 64 % ist KI demnach kein Thema, das in die duale Ausbildung gehört. Eine Technologie, die unsere Zukunft maßgeblich bestimmen und Jobs definitiv verändern wird. ChatGPT mag ein Hype sein, KI ist es definitiv nicht. Um die Ausbildung für junge Menschen attraktiv zu machen, müssen wir uns mit innovativen Technologien auseinandersetzen. Wir müssen deren Möglichkeiten nutzen und die Grenzen erkennen.
Welche Zahlen und Daten belegen die Wirksamkeit von verschiedenen Azubi-Marketing-Strategien und welche haben sich als besonders erfolgreich erwiesen?
Aus der Studie wissen wir, dass nur 1/3 der befragten Unternehmen ihre Recruiting-Kennzahlen (KPIs) ermitteln. In meinen Augen sind Kennzahlen die wichtigste Voraussetzung für eine gute Recruiting-Strategie. Über welche Kanäle rekrutiere ich geeignete Bewerbende (Channel Effectiveness)? Auf Basis dieser Zahlen kann ich schauen, ob meine Marketingmaßnahmen erfolgreich sind oder nicht. Die Betonung liegt hier auf „geeignet“. Viele Bewerbende alleine bringen nur Aufwand mit sich und sollten damit kein gewünschtes Ziel sein. Bei sich verknappenden Bewerbermärkten und bei Generation „WhatsApp“ ist die Time to Hire eine wichtige Kennzahl. Sind meine Bewerbungsprozesse schnell und einfach? Wo springen Bewerbende ab? Laut unserer Studie sind einfache, schnelle Bewerbungsprozesse z.B. für 51 % der befragten Jugendlichen ein Grund, sich zu bewerben. Ähnlich die Absprungrate. Wie viele Bewerbende registrieren sich für meinen Bewerbungsprozess? Wie viele halten bis zum letzten Bewerbungsschritt auch durch? Komplizierte lange Prozesse sollten sich Unternehmen heute nicht mehr leisten.
Können Sie Beispiele für besonders gelungenes Azubi-Marketing nennen, das über Mobile und Social Media hinausgeht und die Generation Z begeistert?
Mich begeistert ein guter Mix aus Bewährtem und Neuem, Digitalem und Persönlichem. Ich glaube, die Generation sieht das auch so. Es ist nicht die eine Maßnahme, es ist der Mix. Medial werden Social-Media-Kampagnen großer Unternehmen gehypt. Die mögen viel Aufmerksamkeit erzielen, sind aber für viele Mittelständler nicht leistbar. Ein guter Mix aus On- und Offline-Maßnahmen schon. Da denke ich an Martina Brunner von Brunata Metoran. Auf Messen gibt es nicht nur Gespräche und Flyer, sondern Erlebnisse. Statt langweiligen Präsentationen in Schulen macht sie Nachhaltigkeits-Workshops. Sie probiert viel aus und lässt sich auf neue Angebote wie Recruiting-Kickern ein. Dazu ein eignungsdiagnostisch guter Einstellungsprozess. Das Onboarding ist herzlich und persönlich. Ein bisschen Event, aber viel mehr gutes Ankommen. Auch die Ausbildungsbeauftragten hat sie mit Schulungen und Workshops im Blick. Mit einem modernen Ausbildungsmanagement ist sie digital auf der Höhe der Zeit. Kein Aktionismus, kein Hinterherlaufen bei jedem Hype, sondern viel Herzlichkeit, Wertschätzung und Kreativität. Das macht für mich gutes Azubi-Recruiting aus.