Wie können Führungskräfte dazu beitragen, dass Mitarbeitende sich mehr mit dem Unternehmen verbunden fühlen als mit dem Internet?
Jeder von uns möchte bei der Arbeit abliefern und Leistung bringen. Wir alle wollen das Beste geben und zufrieden nach Hause gehen. Aber manchmal gibt es leider Herausforderungen und Umstände, die uns daran hindern. Das Kind ist krank oder die Heizung im Haus hat den Geist aufgegeben. Vielleicht ist gerade ein privater Streit mit einem Herzensmenschen ausgebrochen oder die Auswirkungen der Periode sind in diesem Monat intensiver als sonst. Gründe gibt es mehr als Krankmeldungen eines Mitarbeitenden pro Jahr. Natürlich haben diese Gefühle, Konflikte, Sorgen und Ängste Auswirkung auf unsere Performance bei der Arbeit. Wir sind eben keine Roboter (zum Glück nicht), sondern Menschen.
In vielen Unternehmen, für viele Führungskräfte und auch für Mitarbeitende haben Emotionen und Bedürfnisse oft aber keinen Platz. Statt Mitarbeitende als Menschen mit all ihren Bedürfnissen und Emotionen zu betrachten, werden sie immer noch als Arbeitsressource behandelt, die gefälligst ihre Leistung zu erbringen haben. Aber die Grenzen zwischen Arbeit und Privatem verwischen immer mehr. Während die meisten Führungskräfte noch nicht die Notwendigkeit der Veränderung sehen, sehnen sich Mitarbeitende bereits sehr stark nach einem stärkeren empathischen Verhalten im Unternehmenskontext. So wünschen sich beispielsweise die knapp 4.000 befragten Mitarbeiter:innen aus vier europäischen Ländern einer Studie der amerikanischen Unternehmensberatung Boston Consulting Group, dass Führungskräfte vor allem mehr »Herzqualität« zeigen, das heißt mehr Zuhörerskills, Einfühlungsvermögen und eben Empathie. Wie genau sieht denn nun empathisches Verhalten im Arbeitskontext für Führungskraft und Mitarbeitende aus? Wie so oft beginnt die Reise natürlich zuerst bei dir: »Je besser du dich selbst kennst, umso einfacher wird es, auch andere Menschen zu verstehen.« Ich habe bei mir selbst zum Beispiel irgendwann festgestellt, dass ich bei Gesprächen immer wieder versucht habe, die Pause meines Gegenübers zu nutzen, um meine Ideen oder Gedanken mitzuteilen. Während die andere Person noch sprach, habe ich mir schon überlegt, wie ich am besten darauf antworten könnte. Das führte dazu, dass ich gar nicht richtig präsent war, sondern nur zuhörte, um adäquat zu antworten, nicht aber, um den anderen wirklich zu verstehen.
Aber genau das zeichnet unser empathisches Verhalten aus: Den Gesprächspartner:innen zuhören, um zu verstehen. Der deutsche Rapper Sido hat es in meinen Augen in einem Interview auf den Punkt gebracht: »Weißt du, wie du jeden Menschen der Welt glücklich machen kannst? Mit einem Ohr. Du brauchst noch nicht mal zwei. Du brauchst nur ein Ohr. Du musst einem Menschen nur mal zuhören. Du musst nicht alles genauso sehen wie der andere. Nur einsehen, dass der vielleicht anders ist als du, das hinnehmen und ihm Verständnis zeigen. Das ist alles, womit du einen anderen Menschen glücklich machen kannst.«
Was so einfach klingt – ist eigentlich auch einfach. Aber klar, das schaffen wir nicht, indem wir nebenbei in einem Meeting fragen, wie es der anderen Person geht, und direkt danach mit der Agenda weitermachen. Wir brauchen Zeit, die wir uns im Alltag nehmen sollten. Dann können wir erkennen, dass wir alle im Arbeitsalltag mehr gemeinsam haben, als uns eigentlich trennt.
Und was kann ich jetzt konkret im Alltag machen? Ähnlich wie beim Training im Fitnessstudio kommt es auch bei Beziehungen darauf an, dranzubleiben und Routinen regelmäßig zu wiederholen. Wer nur einmal ein Workout macht, wird kaum Fortschritte erzielen. Es wäre naiv, zu denken, dass, wenn man erst einmal eine Beziehung hat, man nichts mehr investieren muss. Für die Förderung einer guten, tiefgehenden zwischenmenschlichen Beziehung gibt es viele Möglichkeiten. Zwei Tipps stelle ich dir jetzt vor:
- Tipp: Zuhören: Nicht, um zu antworten, sondern um zu verstehen!
Probiere beim nächsten Gespräch deinem Gegenüber Nachfragen zu stellen und aktiv auf das Gesagte einzugehen. Zum Beispiel kannst du wie folgt reagieren, wenn dein Gesprächspartner von seiner Beförderung berichtet: »Was für tolle Neuigkeiten! Ich wusste es. Erzähl mir alles ganz genau!« Du feierst deine Kollegin emotional mit Konfetti und Raketen, weil du innerlich an ihrem Erlebnis beteiligt bist. Du bist ihr zugewandt, auch in deiner Körperhaltung, und hältst lächelnd Blickkontakt. Die positiven Gefühle des Gegenübers werden angesprochen. Du äußerst eigene Empfindungen zu dem Erlebnis und gibst ihr Gelegenheit, die eigenen noch mal zu erleben, indem sie sich gedanklich erneut in die Situation versetzt.
- Tipp: Die Superkraft der Verletzlichkeit nutzen
»Sich verletzlich zu zeigen, ist überhaupt erst die Voraussetzung dafür, dass sich Menschen verbinden und zugehörig fühlen«, sagt Psychologin Brené Brown in ihren TED-Talk über Verletzlichkeit. Das unterstreichen auch zahlreiche wissenschaftliche Studien. Die Herausforderung an Verletzlichkeit ist, dass sie der Kern von Scham und Angst sowie unserem Kampf um Anerkennung ist. Aber es scheint, dort entstehen auch Freude, Kreativität, Zugehörigkeit und Liebe. Hab also den Mut, dich gegenüber deinen Kolleg:innen verletzlich zu zeigen und etwas zu teilen, bei dem du dir noch nicht sicher bist, wie deine Kolleg:innen reagieren werden. Danach wirst du erstaunt sein, wie stark eure Verbundenheit sein wird.