Mitarbeitergespräche mit Azubis – so werden sie zum Erfolg

Ein Teilnehmender in einem vergangenen Workshop für die Ausbildung sagte mir „Wenn ich mir jetzt für jeden Azubi eine Stunde Zeit nehme, komme ich aus dem Quatschen gar nicht mehr raus.“

So überspitzt die Formulierung auch gemeint gewesen sein mag, es offenbart einen immer noch vorherrschenden Irrglauben, das Mitarbeitergespräch wäre ein Plausch in der Kaffeeküche. Hossiep, Bittner und Berndt (2008) definieren ein Mitarbeitergespräch als „(…) zentrales Führungsinstrument, das in Form eines Dialoges Führungskraft und Mitarbeiter zusammenbringt.“ Das Mitarbeitergespräch zeichne sich durch beiderseitige Vorbereitung aus und verfolge definierte Ziele, wie z. B. eine Rückschau, die Festlegung neuer Ziele und die Entwicklung des Mitarbeitenden. 

Mitarbeitergespräch vs. Beurteilungsgespräch  
Wer nun entgegnet, dass man regelmäßige Beurteilungsgespräche mit den Azubis führe, dem möchte ich sagen, dass dies unterschiedliche Instrumente sind. Im Mitarbeitergespräch liegt der Fokus auf Kommunikation, Motivation und Entwicklung der Auszubildenden und somit auch auf der Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Azubi. Im Beurteilungsgespräch geht es um, wie der Name sagt, eine Leistungsbeurteilung. Nicht falsch verstehen: In der Praxis fallen beide Gespräche oft zusammen. Doch es gibt einen wesentlichen Unterschied. Im Mitarbeitergespräch läuft die Kommunikation bottom-up. Der Auszubildende hat die Mehrheit der Redezeit. Für die Ausbilder bedeutet das Zuhören, fragen und verstehen wollen.

Phase 1: Gute Vorbereitung zahlt sich aus
Damit den Ausbildern dies besser gelingt, skizziere ich im Folgenden einen typischen Ablauf eines Azubi-Gespräches. Und der fängt nicht erst damit an, wenn Sie und Ihr Azubi sich zum Gespräch treffen. Der Erfolg eines Azubi-Gespräches steht und fällt mit der Vorbereitung. Eine Aufgabe, die beide Seiten gleichermaßen zu erledigen haben. Erklären Sie möglichst frühzeitig, worum es in diesen Gesprächen gehen soll und welche Rahmenbedingungen gesteckt werden. Oftmals herrscht Sorge darüber, dass das Gespräch für Kritik oder eben eine Bewertung genutzt wird. Ein Mythos, der selbst vor gestandenen Mitarbeitern nicht Halt macht. Laden Sie Ihre Azubis für circa 60 Minuten ein und planen Sie ausreichend Pufferzeit ein, falls das Gespräch länger dauert. Sollte es in Ihrem Unternehmen keine Leitfäden geben, schicken Sie ein paar Leitfragen mit, über die sich Ihr Azubi Gedanken machen soll. Im Wesentlichen geht es dabei um die Fragen:

  • Wie hat der Azubi den vergangenen Zeitraum wahrgenommen?
  • Über welche Themen möchte er oder sie sprechen?
  • Welche Ziele verfolgt der Azubi in den kommenden Wochen/Monaten?

Phase 2: Zuhören und Informationsaustausch sind Trumpf 
Das Gespräch startet mit der Kontaktaufnahme, in der Sie mit Smalltalk den Azubi begrüßen und die Stimmung auflockern. Sie erläutern Ihrem Gegenüber den Ablauf und stellen ihm/ihr die Ziele für das Gespräch vor. Das ist auch Ihre Gelegenheit nach den Themen des Azubis für das Gespräch zu fragen. Ganz wichtig: Fragen Sie, ob es Stand jetzt bereits Fragen gibt, die einem guten Gespräch im Wege stehen?

Und wer jetzt auf eine ausgefeilte und tiefenpsychologische Brücke in die nächste Phase – der Informationsphase – gehofft hat, wird enttäuscht sein. Fragen Sie „Wie hast Du die vergangenen X Monate empfunden?“ und schon ist das Gespräch voll im Gange. In dieser Phase geht es um die Selbsteinschätzung des Azubis. Welche Aufgaben und Einsätze fand er/sie spannend? Was hat ihm/ihr Spaß gemacht und bei welchen Aufgaben sehen er/sie noch Nachholbedarf?

Wichtig sind auch die Aspekte der Zusammenarbeit mit anderen Führungskräften oder das Verhältnis zwischen Azubi und Lehrer in der Berufsschule bzw. den Azubi-Kollegen. Für Sie als Ausbilder ist es wichtig, in dieser Phase gut zuzuhören und nachzufragen, wenn etwas unklar ist.

Phase 3: Jetzt ist Ihre Einschätzung gefragt
Die Möglichkeit Ihre Standpunkte klarzumachen, haben Sie in der Argumentationsphase. Dort geben Sie ihre Einschätzung und Beurteilung über den vergangenen Zeitraum ab und platzieren eigene Vorstellungen und Wünsche für die nächste Periode. Bedenken Sie dabei, dass Sie prägnante Beispiele für Ihr Feedback sammeln, sodass Ihr Auszubildender Sie auch versteht und Ihre Punkte nachvollziehen kann. Sollten Sie im Vorfeld Ziele mit Ihren Azubis formuliert haben, ist die Beurteilung natürlich leichter. Das erlebe ich in der Praxis allerdings sehr selten. Ziele werden also eher qualitativer Natur sein, von den Schulnoten und Bewertungen einmal abgesehen.

Versuchen Sie, einen Konsens über die Beurteilung zu erreichen. Sollten Ihre Meinungen aber auseinander gehen, bietet dies einen Anhaltspunkt tiefer mit Ihrem Azubi ins Gespräch zu gehen, ggf. auch in einem Nachfolgetermin. Hierbei wird auch deutlich, warum eine Vermischung von Mitarbeitergespräch und Leistungsbeurteilung gefährlich ist. Ich habe große Zweifel daran, dass Azubis kritische Punkte, z. B. in der Zusammenarbeit mit Ihnen als Ausbilder, ansprechen, wenn fünf Minuten später über eine Bewertung gesprochen wird, die ggf. relevant für die spätere Übernahme ist.

Phase 4: Formulieren Sie gemeinsam neue Ziele
In der folgenden Beschlussphase legen Sie neue Ziele für den Zeitraum fest. Hier versteckt sich aber auch ein wesentlicher Knackpunkt des Gespräches. Viele Ausbilder geben – wenn auch gut gemeint – die Ziele vor und werten das freundliche Nicken des Azubis als Commitment. Geben Sie Ihrem Azubi die Chance, Eigenverantwortung für die Lehre zu übernehmen und lassen Sie ihn Ziele vorschlagen. Das erhöht die Identifikation und die Wahrscheinlichkeit, die Ziele umzusetzen. Natürlich dürfen Sie ergänzen und ihre Hilfe und Unterstützung anbieten.

Auch wenn die Ziele durch die Ausbildungspläne nahezu selbsterklärend sind, sollten Sie auch frühzeitig die weitere berufliche Entwicklung in Betracht ziehen. Inwiefern eignet sich der Azubi für die Übernahme und in welchem konkreten Bereich können wir sein Talent einsetzen? Möchte der Azubi nach der Ausbildung bei Ihnen bleiben oder hat er/sie andere Pläne (z. B. ein Studium, ein Arbeitgeberwechsel, ein Auslandsaufenthalt)? Welche Stärken sollten wir in Zukunft ausbauen? Dies sind Fragen, die Sie nicht getrennt als Ausbilder beantworten können. Vernetzen Sie sich mit Ihren Verantwortlichen, um eine nachhaltige Ausbildung zu gewährleisten.

Phase 5: Halten Sie ein schriftliches Fazit fest
Zum Abschluss des Gespräches sollten Sie alles zusammenfassen und die Frage beantworten, ob Sie Ihre Ziele des Gespräches erreicht haben. Hilfreich ist es, die besprochenen Maßnahmen und Ziele schriftlich festzuhalten. Was für viele Führungskräfte als lästige Arbeit scheint, wird spätestens im Ernstfall ein wichtiges Dokument. Meine Erfahrung zeigt mir: Investieren Sie die Zeit. Halten Sie auch gemeinsam fest, wann Sie sich das nächste Mal zum Mitarbeitergespräch treffen. Und ganz wichtig: Bedanken Sie sich bei ihrem Azubi für das Vertrauen, die Offenheit und das Ansprechen kritischer Themen. Das stärkt die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Azubi.

 

Michael Zocholl
Berater, Coach und Trainer für Unternehmens- und Führungskultur, besserjetzt.consulting

Michael Zocholl war lange als Projektmanager und Vorstandsassistent eines großen deutschen Industriekonzerns tätig. Er ist Wirtschaftspsychologe und ausgebildeter Business Coach. Seit 2021 agiert Michael Zocholl selbständig als Berater, Coach und Trainer für sein Unternehmen besserjetzt.consulting. Zu seinen Kunden gehören KMUs aus Deutschland, die ihre Führungsarbeit verbessern wollen. Für die unterschiedlichen Facetten von Unternehmens- und Führungskultur hegt er eine große Leidenschaft und er setzt sich dafür ein, dass Mitarbeitergespräche besser werden.

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