Regelmäßige Mitarbeitergespräche in der Ausbildung: Eine Win-Win-Situation für junge Talente und Ausbilder

„Lehrjahre sind keine Herrenjahre.“ Haben Sie diesen Satz auch schon mal gesagt? Ich assoziiere damit den eindeutigen Hinweis, sich seine Lorbeeren erarbeiten zu müssen, sich in einem Gefüge unterzuordnen und möglichst wenig Ansprüche zu stellen. Nicht falsch verstehen. Ein Auszubildender muss Erfahrung sammeln, um wirklich mitreden zu können. Dennoch erwarten junge Menschen, dass man ihnen auf Augenhöhe begegnet und ein ernsthaftes Interesse daran hat, sie schnell als vollwertige Arbeitskraft zu nutzen. 

Ein wirksames Instrument zur Förderung des Wachstums und der Entwicklung junger Talente sind regelmäßige Mitarbeitergespräche. Diese Gespräche bieten ihren Ausbildern eine wertvolle Gelegenheit, die Bedürfnisse junger Menschen zu verstehen. Junge Menschen, die frisch in den Arbeitsmarkt eintreten, haben ein starkes Bedürfnis nach Orientierung und Feedback. Regelmäßige 1:1 Mitarbeitergespräche bieten eine Plattform, um Orientierung zu erhalten und geben auch den Auszubildenden die Chance, sich persönlich, ihr Verhalten und ihre Erwartungen an die Ausbildung zu reflektieren und ggf. den Ausbildern zu erläutern.

Blicke ich auf meine Ausbildung als Industriekaufmann zurück, dann fanden Gespräche nur zum Abschluss eines sog. Praxiseinsatzes statt. Kurz und schmerzlos bekam ich meine Bewertung, die immer so gut war, dass man sich ernsthafte Diskussionen über den Inhalt ersparen konnte. Lerneffekt gleich null, und ob und wie die Erfahrung im Team relevant ist, musste ich mir irgendwie selbst erschließen. Hinzu kam, dass ich meine Ausbildung in einem Industriekonzern gestartet habe, der mehrere 10.000 Menschen beschäftigte. Ich war ein kleines Zahnrad in einem Riesengebilde, das man nicht durschauen konnte. Es war unklar, was man von Auszubildenden erwartet, außer, dass sie ihre Ausbildung bestehen. Ich befand mich im ersten Praxiseinsatz und niemand wusste so wirklich etwas mit mir anzufangen. Mein Ausbildungsbeauftragter? Eine graue Eminenz ein paar Büros weiter. Ich war verbittert und wollte die Ausbildung hinschmeißen. So habe ich mir meine Lehrjahre nicht vorgestellt. Ich wollte zeigen, was ich kann und dass ich eine echte Unterstützung für mein Team bin. Nach 3 Monaten war ich einfach nur froh, dass es vorbei war.

Vertrauen und Transparenz schaffen 
Mitarbeitergespräche sind ein sehr erfolgreicher Hebel, um die jungen Auszubildenden schnell einsatzfähig zu bekommen. Sie helfen dabei, Ziele zu setzen, die eigenen Stärken und Entwicklungsbereiche zu identifizieren. Deshalb ist es immens wichtig, in kurzen Zyklen, wie z. B. alle 4-6 Wochen, ein längeres 1:1 Gespräch zu führen, um zu erfahren, wie es um die Ausbildung steht. Jeder Mitarbeiter ist einzigartig und hat unterschiedliche Ziele, Wünsche und Herausforderungen. Die meisten Auszubildenden sind zwischen 16-19 Jahren alt, wenn sie in die Ausbildung starten. Sie dürfen nicht vergessen, dass sich einige Auszubildende gerade erst am Übergang zum Erwachsensein befinden. Eventuell bedeutet eine Ausbildung, auch ein neuer Wohnort und die Entwurzelung von Familie und Freunden. Sie sind in diesen Fällen nicht nur Ausbilder, sondern oftmals auch Seelsorger. Für Redebedarf ist somit gesorgt.

Darüber hinaus tragen regelmäßige Mitarbeitergespräche zur Schaffung einer offenen und vertrauensvollen Kommunikationskultur bei. Wenn Ausbilder den Raum für Feedback und Dialog eröffnen, fördern sie eine Atmosphäre des Vertrauens und der Transparenz. Junge Talente fühlen sich ermutigt, ihre Ideen und Bedenken zu teilen, was wiederum die Innovationskraft und Kreativität des Teams stärkt.

Mitarbeitergespräche tragen zur Personalentwicklung bei
Dann ist da noch der Block der Personalentwicklung. Indem sie als Führungskraft Zeit investieren, um die persönlichen Ziele und Ambitionen ihrer Mitarbeiter zu erfassen, können sie maßgeschneiderte Entwicklungspläne erstellen und den Fortschritt gezielt unterstützen.

Besprechen Sie mit ihren Auszubildenden, in welche Bereiche er oder sie nochmal vertieft blicken möchte. Halten Sie Stärken und Vorlieben fest, die man vor einer Übernahme wieder heranziehen kann. Es schafft eine Win-Win-Situation, bei der alle von einer verbesserten Zusammenarbeit und Leistungsfähigkeit profitieren. Und am Ende steigert das auch die Mitarbeiterbindung zum Unternehmen. Außerdem sind engagierte Mitarbeiter nachweislich produktiver und leistungsfähiger, was letztendlich den Erfolg des gesamten Teams oder Unternehmens beeinflusst.

Die Implementierung regelmäßiger Mitarbeitergespräche erfordert eine Kultur des offenen Dialogs und des kontinuierlichen Lernens. Es liegt an den Ausbildern, diese Gespräche zu initiieren und den Mehrwert zu erkennen, den sie für alle Beteiligten bieten. Wenn sie sich die Zeit nehmen, um die Bedürfnisse junger Talente zu verstehen und sie aktiv zu unterstützen, werden sie eine dynamische und talentierte Belegschaft aufbauen, die den Unternehmenserfolg nachhaltig fördert. Insgesamt sind regelmäßige Mitarbeitergespräche ein unverzichtbares Instrument, um junge Talente in ihrer Ausbildung zu fördern und ihre berufliche Entwicklung voranzutreiben. Ihren Auszubildenden gibt es – insbesondere zum Start der Ausbildung – ein hohes Maß an Sicherheit, einen Ansprechpartner zu haben, der regelmäßiges Feedback gibt und sich ehrlich für die jungen Talente interessiert.

Michael Zocholl
Berater, Coach und Trainer für Unternehmens- und Führungskultur, besserjetzt.consulting

Michael Zocholl war lange als Projektmanager und Vorstandsassistent eines großen deutschen Industriekonzerns tätig. Er ist Wirtschaftspsychologe und ausgebildeter Business Coach. Seit 2021 agiert Michael Zocholl selbständig als Berater, Coach und Trainer für sein Unternehmen besserjetzt.consulting. Zu seinen Kunden gehören KMUs aus Deutschland, die ihre Führungsarbeit verbessern wollen. Für die unterschiedlichen Facetten von Unternehmens- und Führungskultur hegt er eine große Leidenschaft und er setzt sich dafür ein, dass Mitarbeitergespräche besser werden.

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