Teilzeitberufsausbildung 2.0 – ein Begriff, der aktuell in der Welt der dualen Ausbildung und des HR-Recruitings in aller Munde ist. Mit dem Update des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) und neuen Förderprogrammen wird die Teilzeitberufsausbildung attraktiver denn je. Doch was steckt hinter diesem Trend? Und wie können Unternehmen dieses Potenzial für sich nutzen?
Die Revolution der Teilzeitberufsausbildung
Seit dem 01.01.2020 hat sich die Rechtslage rund um die Teilzeitberufsausbildung grundlegend geändert. Früher war sie nur bestimmten Personengruppen wie jungen Eltern oder pflegenden Angehörigen vorbehalten. Heute steht sie allen Auszubildenden offen. Die Ausbildungszeit kann um bis zu 50% reduziert werden, wobei sich die Gesamtdauer der Ausbildung entsprechend verlängert, jedoch maximal das 1,5-fache der regulären Dauer betragen darf.
Diese Flexibilität ermöglicht es den Unternehmen, gemeinsam mit den Auszubildenden maßgeschneiderte Ausbildungsmodelle zu entwickeln. Eine Entkopplung der Teilzeitausbildung von einer Verkürzung der Ausbildungsdauer erlaubt es, die Ausbildung flexibel zu verlängern oder auf Antrag zu verkürzen, sofern das Ausbildungsziel erreichbar bleibt.
Neue Zielgruppen erschließen
Die Teilzeitberufsausbildung 2.0 eröffnet Unternehmen die Möglichkeit, neue Zielgruppen in die Ausbildung einzubinden. Eltern, Alleinerziehende, Personen mit Pflegeaufgaben oder Quereinsteiger gewinnen durch flexible Modelle Zugang zur dualen Ausbildung. Diese Zielgruppen bringen oft hohe Loyalität und wertvolle Lebenserfahrung mit.
Mit gezieltem Employer Branding, etwa durch die Kommunikation familienfreundlicher und flexibler Arbeitsmodelle, können Betriebe sich positiv von der Konkurrenz abheben und ihre Attraktivität am Ausbildungsmarkt steigern.
Praktische Umsetzung und rechtliche Rahmenbedingungen
Die konkrete Reduzierung der täglichen oder wöchentlichen Ausbildungszeit wird individuell zwischen den Parteien vereinbart, wobei maximal 50% Reduktion zulässig sind. Wichtig ist, dass trotz reduzierter Stunden die vollständige Vermittlung aller Ausbildungsinhalte gewährleistet ist. Die Vergütung wird entsprechend der Arbeitszeit anteilig angepasst, wobei regionale oder tarifliche Regelungen zu beachten sind.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Abstimmung mit der Berufsschule. Der Berufsschulunterricht findet in der Regel weiterhin in Vollzeit statt, doch Berufsschulen können Sonderregelungen unterstützen. Ein enger Austausch schafft Lösungen und Planungssicherheit.
Praxisbeispiele und Erfahrungen
Viele Handwerksbetriebe berichten, dass wiedereinsteigende Eltern durch ihre Motivation, Zuverlässigkeit und Lebenserfahrung besonders herausstechen und sich stark mit dem Unternehmen identifizieren. Auch Quereinsteiger nutzen Teilzeitmodelle, um neben dem Beruf neue Qualifikationen zu erwerben. Unternehmen können diese Gruppe gezielt durch Kampagnen, Beratung und Infoveranstaltungen ansprechen.
Einige Unternehmen stimmen flexible Tages- oder Wochenarbeitszeiten (wie beispielsweise bei der 4-Tage-Woche in der Ausbildung) individuell auf Betreuungsmöglichkeiten oder Pflegezeiten ab, was die Attraktivität der Ausbildung weiter erhöht.
Kosten-Nutzen-Rechnung
Vorteile:
- Reduktion von Ausbildungsabbrüchen durch individuell angepasste Rahmenbedingungen
- Höhere Bewerberanzahl und bessere Passung durch Diversifizierung der Zielgruppe
- Verbesserung der Arbeitgeberattraktivität und langfristige Mitarbeiterbindung
Kosten:
- Längere Ausbildungsdauer kann betriebliche Ressourcen binden, wird jedoch oft durch die höhere Eigenmotivation und Loyalität ausgeglichen
- Administrativer und organisatorischer Mehraufwand durch individuelle Planung
Tipps für Ausbildungsverantwortliche
- Frühzeitige und transparente Kommunikation mit der Kammer und der Berufsschule über geplante Teilzeitmodelle
- Erstellung eines individuellen Ausbildungsplans, der alle Lernziele abdeckt
- Flexibilisierung der betrieblichen und schulischen Einsatzzeiten in Abstimmung mit den privaten Erfordernissen der Auszubildenden
- Kontinuierliches Monitoring und Feedbackgespräche zum Ausbildungsstand und möglichem Anpassungsbedarf
Die Teilzeitberufsausbildung bietet Betrieben angesichts des Fachkräftemangels ein erhebliches Recruiting-Potenzial und stärkt die soziale Verantwortung – vorausgesetzt, die Prozesse werden arbeitsrechtlich sauber und flexibel gestaltet.
Fazit
Die Teilzeitberufsausbildung 2.0 ist mehr als nur ein Trend. Sie ist eine Chance für Unternehmen, neue, motivierte Zielgruppen zu erschließen und sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Mit den richtigen Strategien und einer sorgfältigen Planung können Betriebe nicht nur dem Fachkräftemangel entgegenwirken, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Verantwortung leisten. Nutzen Sie die Möglichkeiten, die diese moderne Ausbildungsform bietet, und gestalten Sie die Zukunft Ihrer Ausbildungsprogramme flexibel und erfolgreich.
FAQ
- Was bedeutet Teilzeitberufsausbildung 2.0?
- Es handelt sich um ein aktualisiertes Ausbildungsmodell, das Auszubildenden eine flexible Reduzierung der Ausbildungszeit bis zu 50% ermöglicht, während die Gesamtdauer entsprechend verlängert wird.
- Wer kann von der Teilzeitberufsausbildung profitieren?
- Eltern, Alleinerziehende, Pflegepersonen sowie Quereinsteiger können durch die flexiblen Ausbildungsmodelle leichter den Einstieg in die duale Ausbildung finden.
- Wie wird die Vergütung bei Teilzeitberufsausbildung geregelt?
- Die Vergütung wird anteilig entsprechend der reduzierten Ausbildungszeit angepasst, unter Beachtung regionaler und tariflicher Regelungen.
- Müssen Berufsschulen an der Teilzeitberufsausbildung teilnehmen?
- Ja, der Berufsschulunterricht findet meist weiterhin in Vollzeit statt, jedoch können Berufsschulen Sonderregelungen unterstützen, um die Ausbildung zu erleichtern.