Autorin: Sabine Bleumortier
In der betrieblichen Ausbildung spielen ausbildende Fachkräfte eine entscheidende Rolle. Sie sind es, die tagtäglich mit den Auszubildenden zusammenarbeiten, sie fachlich anleiten, ihre Persönlichkeit weiterentwickeln und diese zudem menschlich begleiten. Dennoch wird ihre Rolle oft unterschätzt. Viele dieser Fachkräfte hören von ihren Vorgesetzten, dass die Betreuung der Auszubildenden doch ganz einfach so \”nebenbei\” laufe.
Eine gezielte Vorbereitung oder regelmäßige Weiterbildung für diese verantwortungsvolle Aufgabe gibt es noch lange nicht in allen Betrieben. In 20 Prozent der Ausbildungsbetriebe werden ausbildende Fachkräfte nicht auf ihre Tätigkeit vorbereitet, 44 Prozent bieten keine weiteren Trainings zur Qualifizierung an (Quelle: Ausbilderumfrage 2025, durchgeführt von Sabine Bleumortier in Kooperation mit AUBI-plus). Dabei entscheiden gerade ihr Engagement und ihre Kompetenz über den Ausbildungserfolg.
1. Die unterschätzte Schlüsselrolle der ausbildenen Fachkräfte
In zu vielen Unternehmen wird die Azubibetreuung immer noch delegiert, ohne dass die betreuenden Mitarbeitenden gezielt darauf vorbereitet werden. Es fehlt an Unterstützung – von Informationen zum Start dieser Aufgabe bis zu strukturierten Weiterbildungsangeboten. Doch die Vorstellung, Fachkräfte könnten diese Aufgabe intuitiv oder \”aus dem Bauch heraus\” gut erfüllen, greift zu kurz. Gute Ausbildung beginnt bei gut vorbereiteten ausbildenden Fachkräften. Ihre Qualifikation ist der Schlüssel für einen erfolgreichen Start junger Menschen ins Berufsleben.
2. Der Wandel der Ausbildungswelt – neue Anforderungen an die ausbildenden Fachkräfte
Die Anforderungen an Azubibetreuer*innen haben sich stark verändert. Die Generation Z, und nun auch die nachfolgende Generation Alpha, bringen neue Erwartungen und Werte mit. Individualität, Feedback auf Augenhöhe, digitale Kompetenz und kulturelle Vielfalt sind neue Realitäten im Ausbildungsalltag.
Reine Fachkompetenz reicht längst nicht mehr. Es braucht kommunikative, methodisch-didaktische und vor allem soziale Kompetenzen. Wer junge Menschen heute ausbildet, muss Vertrauen aufbauen, Beziehungen gestalten und Lust auf Lernen machen. Ein Beispiel: Ein Studienabbrecher beginnt eine Ausbildung im technischen Bereich. Fachlich bringt er bereits solides Wissen mit, ist jedoch an die Struktur eines Ausbildungsbetriebs und die Zusammenarbeit im Team nicht gewöhnt. Daher zeigt er Unsicherheiten. Hier kann eine ausbildende Fachkraft durch gezielte Anleitung, Feedback und Orientierungshilfen entscheidend zur erfolgreichen Integration und Motivation beitragen.
Zudem gehört die Nutzung digitaler Medien sowie Homeoffice-Regelungen inzwischen zum Ausbildungsalltag. Hinzu kommt nun noch der Einsatz von KI-gestützten Lernwerkzeugen. Die Betreuung von Auszubildenden wird damit nicht einfacher, sondern komplexer. Es braucht Neugierde auf Neues und die Bereitschaft, sich ständig weiter zu entwickeln.
3. Warum Betriebe stärker in die Qualifizierung der Azubibetreuer*innen investieren sollten
Es gibt viele gute Gründe, warum Unternehmen gezielt in die Weiterbildung und Unterstützung ausbildender Fachkräfte investieren sollten. Die folgenden Punkte zeigen, welchen Mehrwert dies für die Ausbildungsqualität, die Unternehmensbindung und die betriebliche Effizienz bringt.
Qualität sichern
Gut qualifizierte Azubibetreuer*innen leisten einen entscheidenden Beitrag zur Qualität der Ausbildung. Sie vermitteln nicht nur fachliche Inhalte und bereiten damit auf die Prüfung und Übernahme vor, sondern fördern auch die persönliche Entwicklung der Auszubildenden. Durch ihre Unterstützung können Azubis frühzeitig Verantwortung übernehmen, eigene Ideen einbringen und aktiv zur Weiterentwicklung betrieblicher Prozesse beitragen. Die ausbildende Fachkraft legt dafür die Basis, indem sie praxisnah anleitet, motiviert und die Auszubildenden gezielt auf ihre spätere Tätigkeit im Betrieb vorbereitet.
Fluktuation vermeiden
Eine gute Begleitung während der Ausbildung stärkt die Bindung an das Unternehmen. Gerade in schwierigen Phasen oder bei Konflikten sind kompetente Betreuer*innen entscheidend. Wer hier nicht investiert, riskiert hohe Kosten durch Ausbildungsabbrüche.
Zukunftsfähigkeit sichern
Berufsbilder verändern sich. Lernprozesse werden individueller, digitaler und komplexer. Ausbildende Fachkräfte benötigen hier Weiterbildung, um handlungssicher und motiviert agieren zu können. Die AEVO (Ausbildereignungsverordnung) bildet nur das Fundament, nicht das Dach.
Motivation steigern
Wertgeschätzte Fachkräfte engagieren sich stärker. Wer fühlt, dass seine Rolle wichtig ist und im gesamten Unternehmen ernst genommen wird, bringt sich auch mit mehr Freude ein. Eine Ernennungsurkunde, ein gemeinsames Mittagessen mit der Geschäftsleitung oder Entwicklungsperspektiven können hier große Wirkung zeigen.
4. Wie Qualifizierung konkret aussehen kann – Praxisimpulse
Die Qualifizierung ausbildender Fachkräfte lässt sich auf vielfältige Weise gestalten. Wichtig ist, dass die Angebote praxisnah und auf die Bedürfnisse Ihrer Zielgruppe zugeschnitten sind. Im Folgenden einige Möglichkeiten an Formaten für die Qualifizierung der Azubibetreuer*innen sowie Ideen für mehr Wertschätzung dieser Zielgruppe. Wichtig ist, dass es hier regelmäßige Angebote gibt und es nicht bei einem einmaligem Format bleibt.
Qualifizierungsformate
- Einführungsgespräch für neue Azubibetreuer*innen, durchgeführt durch den hauptamtlichen Ausbilder oder die Ausbilderin, mit Informationen zum Verantwortungsbereich, den zu vermittelnden Inhalten u.A.
- Workshops und Kurzformate zu Themen wie \”Feedback geben\”, \”Generationenmix\” oder \”Konfliktlösung\”
- Coaching-Angebote, intern oder extern
- Zertifikatskurse wie der \”Geprüfte Aus- und Weiterbildungspädagoge (IHK)\”
- Onlineformate für zeit- und/oder ortsunabhängiges Lernen mit speziell für ausbildende Fachkräfte zugeschnittenen Inhalten
- Internes Netzwerk von Azubibetreuer*innen zum Erfahrungsaustausch und zur gegenseitigen Unterstützung
Anerkennungskultur
- Positive Äußerung der Geschäftsführung über das Engagement der Azubibetreuer*innen, z. B. auf Mitarbeiterversammlungen
- Kleine Wertschätzungen im Alltag, z. B. eine Eiserfrischung im Sommer für ausbildende Fachkräfte
- \”Azubibetreuer*innen-Stammtisch\” jeden ersten Montag in der Kantine (inkl. Mittagessen auf Firmenkosten)
- Einbindung in Entscheidungen zur Ausbildungsstrategie, z. B. bei der Auswahl von Auszubildenden oder Tools für das Ausbildungsmanagement
5. Stolpersteine und wie man sie überwindet
Stolpersteine in der Umsetzung von Qualifizierungsmaßnahmen sind keine Seltenheit. Doch mit pragmatischen Ansätzen lassen sich viele dieser Herausforderungen erfolgreich überwinden:
\”Wir haben keine Zeit\”
Setzen Sie auf Microlearning: Fünf Minuten für ein Lernnugget in Textform oder als Audio oder kurze Input-Sessions per Video können viel bewirken.
\”Es gibt kein Budget\”
Nicht jede Qualifizierung muss teuer sein. Auch interne Workshops mit Expert*innen aus den eigenen Reihen oder strukturierter Erfahrungsaustausch können nachhaltig wirken.
\”Unsere Geschäftsführung unterstützt die Ausbildung nicht\”
Wenn die Ausbildungsarbeit keinen Rückhalt in der Führung hat, fehlt oft auch die notwendige Sichtbarkeit. Hier gilt es, intern Überzeugungsarbeit zu leisten: mit klaren Fakten, Erfolgsbeispielen und dem Aufzeigen des Mehrwerts einer starken Ausbildungsarbeit. Ziel sollte es sein, dem Thema Ausbildung einen höheren Stellenwert im gesamten Betrieb zu verschaffen.
Fazit: Wer die ausbildenden Fachkräfte stärkt, stärkt das gesamte Ausbildungssystem
Eine gute Ausbildung lebt von gut vorbereiteten Azubibetreuer*innen. Die Fachkräfte, die täglich mit unseren Auszubildenden arbeiten, verdienen mehr als ein Schulterklopfen. Sie brauchen Qualifizierung, Zeit und Anerkennung.
Ausblick: Vortrag auf dem Kongress – Ausbildung für die Generation Alpha
In meinem Vortrag „Ausbildung für die Generation Alpha: Individualität als Schlüssel zum Erfolg“ auf dem DALK 2025 nehme ich Sie mit in die Welt einer Generation, die besonders stark auf Individualisierung und Flexibilität setzt. Gemeinsam schauen wir, wie Sie als Ausbildungsverantwortliche ganz praxisorientiert Individualität in die Ausbildung bringen können. Denn: Wer junge Menschen gewinnen und halten will, muss ganz individuell auf sie eingehen – nicht nur die hauptamtlichen Ausbilder, auch die ausbildenden Fachkräfte.
Ich freue mich auf den Austausch mit Ihnen.